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Pubertät: Vorsicht Baustelle – Antworten auf Elternfragen

Mutter diskutiert mit ihrer Teenagertochter

Die Pubertät – eine Lebensphase, die für Jugendliche wie eine emotionale Baustelle wirken kann, auf der Eltern oft ratlos stehen.
In diesem Blogbeitrag geht unser Experte Oliver Freiling auf einige zentrale Fragen ein, die Eltern während der Pubertät ihrer Kinder bewegen. In seiner täglichen Praxis begegnet er regelmäßig den zahlreichen Herausforderungen, die diese turbulenten Jahre mit sich bringen. Eltern stellen sich in dieser Zeit viele Fragen, suchen nach Orientierung und konkreten Handlungsempfehlungen. Von den häufigen Stimmungsschwankungen, über den Umgang mit rebellischem Verhalten, bis hin zu Themen wie Körperbild, Selbstvertrauen und Sexualität – hier bietet der Diplom Psychologe und Erziehungsberater praxisnahe Ansätze, um Eltern in dieser herausfordernden Zeit Hilfestellung zu bieten.

Wie gehe ich mit den häufigen Stimmungsschwankungen meines pubertierenden Kindes um?

Machen Sie sich bewusst, wofür die Stimmungsschwankungen stehen. Ihr Kind ist im Umbruch, sein Körper, seine Wahrnehmung, sein Denken verändern sich, was es immer wieder verunsichern und überfordern wird. Gewissheiten werden in Frage gestellt, das vormals magische Denken wird rationaler und so werden nun auch die Eltern und ihre Perspektiven hinterfragt und mit Skepsis begegnet. Stellen Sie sich vor, Sie kämen in ein fremdes Land, in dem Sie sich nicht auskennen, nur scheinen die Einwohner nicht zu wissen, dass Sie sich nicht auskennen und reagieren ständig ungläubig und gereizt auf Sie, weil Sie scheinbar schwer von Begriff sind. Es fühlt sich unfair an und Sie sich allein und ziemlich verloren und Sie wissen nicht, wem Sie trauen können, wer es gut oder vielleicht auch böse mit Ihnen meint. Was bräuchten Sie da von den Einwohnern dieses Landes, um sich wieder mehr entspannen zu können und sich sicher zu fühlen?

Wie kann ich mein Kind unterstützen, den richtigen Umgang mit Stress und Druck zu finden?

Kinder, aber nochmal mehr Jugendliche schauen sich eher Verhalten ab, als dass sie auf Worte vertrauen. Mit offenen Gesprächen über Themen verbinden sie eher, dass das so ein Zeug ist wie Kaffee oder Bier, etwas, was Erwachsene aus unerfindlichen Gründen mögen, mit dem sie selbst aber wenig anzufangen wissen.

Von daher macht es am meisten Sinn und ist am nachhaltigsten, wenn Sie Ihren Kindern den Umgang mit Stress vorleben. Hier und da können Sie kommentieren, was Sie, warum machen und es da noch ein Stück mehr mitnehmen. Ganz im Sinne eines Mentors (oder als würden Sie eine/n neue/n Kolleg:in einarbeiten), lassen Sie sich bei Ihrem Tun über die Schulter blicken und seien Sie als Anlaufstelle für Fragen da, geben Sie nicht ungefragt Ratschläge.

Pubertät und Kommunikation: Wie halte ich den Dialog offen, wenn sich mein Kind zurückzieht?

Bleiben Sie interessiert an Ihrem Kind, ohne neugierig zu sein. Fragen Sie es nach Aspekten, die Ihr Kind beschäftigt, nicht nach dem, was Sie vor allem wissen wollen. Ich erlebe häufig, wie Kinder danach befragt werden, wie es in der Schule war, ob sie ihre Hausarbeiten oder Schulaufgaben erledigt haben und Ähnliches. Wenn die Antworten da eher kurz ausfallen, ist das ein Hinweis darauf, dass es vermutlich etwas ist, was Sie interessiert und womit sich das Kind vielleicht eher kontrolliert fühlt, als sich in seinen Interessen abgeholt. Beobachten Sie und nehmen Sie wahr, womit sich Ihr Kind viel beschäftigt und fragen Sie es zum Beispiel interessiert, warum das spannend ist. Erinnern Sie sich vielleicht auch mal, wie es Ihnen selbst in dem Alter gegangen war und erzählen Ihrem Kind davon, schaffen Sie eine gemeinsame Ebene, auf der Sie sich treffen können. Lesen Sie vielleicht auch mal die gleichen Bücher oder schauen gemeinsam Serien, über die Sie miteinander ins Gespräch kommen können. Jugendliche mögen es gesehen zu werden, solange sie sich sicher fühlen, dass man sie nicht zu durchschauen versucht.

Rebellisches Verhalten in der Pubertät:  Wie gehe ich damit um und setze angemessene Grenzen?

Versuchen Sie zu verstehen, gegen was Ihr Kind genau rebelliert und warum. Hinter jedem rebellischen Verhalten versteckt sich ein unerfülltes Bedürfnis. Ihr Kind ist nur noch nicht wirklich gut in der Lage, die passende Strategie für sein Bedürfnis zu finden. Gleichzeitig ist es wichtig, sich selbst dabei und seine eigenen Bedürfnisse in der Situation nicht aus dem Blick zu verlieren. Wenn ich hier von Bedürfnissen spreche, dann in Abgrenzung von Wünschen, die ein Bedürfnis mit bereits feststehender Strategie sind. Bsp. Bedürfnis: Nähe vs. Wunsch: Von Mama in den Arm genommen werden.

Versuchen Sie, durch empathisches Einfühlen zu erfragen, worum es Ihrem Kind geht, denn in der Regel weiß es das selbst nicht genau und braucht da Anregungen, was es sein könnte, um sich da zu orientieren. „Kann es sein, dass du dich traurig fühlst und glaubst, dass wir dich nicht verstehen? Möchtest du wieder das Gefühl spüren können, gesehen und verstanden zu werden?“ … „Ich möchte dich gerne verstehen und wieder mehr mit dir in Kontakt kommen…!“ Wenn die beidseitigen Bedürfnisse einigermaßen deutlich geworden sind, dann geht es anschließend darum, gemeinsam nach Strategien zu suchen, bei denen sich sowohl Ihr Kind, als auch Sie abgeholt fühlen.

Pubertät und Freundschaft: Ist es normal, dass sich mein Kind von alten Freunden distanziert und neue Bindungen sucht?

So wie es Ihnen vielleicht ging, als Sie Kinder bekamen und sich Freundschaften mit anderen Eltern plötzlich vertieften, während die mit kinderlosen Freunden und Verwandten irgendwie nicht mehr ganz so kompatibel schienen, so ist es auch bei ihren Kindern. Sie machen einen Transformationsprozess durch und beginnen aktiv ihre Identität zu entdecken und zu entwickeln. Sie sind nicht mehr die, die sie vor Beginn des Transformationsprozesses waren, und auch wenn die bisherigen Kameraden vielleicht ähnliches durchmachen, so ist der jeweilige Weg doch sehr individuell. In der Zeit der Pubertät werden Ihre Kinder erst einmal viele Rollen ausprobieren, wie Schauspieler, die sich selbst aussuchen dürfen, welche Rolle sie in einem aufzuführenden Stück übernehmen wollen. Und je nach aktueller Rolle passen nun andere Peers viel besser als Freunde, was sich aber jederzeit auch wieder ändern kann.

Wie unterstütze ich mein Kind bei der Entwicklung eines gesunden Körperbildes und Selbstvertrauens?

An der Stelle ist erstmal wichtig, zu reflektieren, wie es um Ihr eigenes Verhältnis mit Ihrem Körper und Ihrem Selbstvertrauen bestellt ist. Je entspannter das Thema für Sie ist, desto eher wird Ihr Kind Ihnen vertrauen, dass es Ihnen da tatsächlich um sein Wohl geht und Sie können sich ganz darauf konzentrieren, sich dafür offen zu interessieren, ihm da eine Anlaufstelle zu sein, beizustehen und Halt zu bieten in diesen Fragen. Je mehr Sie aber eigene Themen damit verknüpfen, desto komplizierter wird es und Ihr Kind wird Ihnen kaum abnehmen, dass es da wirklich um es geht und nicht darum, dass Sie Ihre eigenen Themen an ihm abarbeiten. In dem Fall könnten Sie sich beispielsweise ihm mit Ihren Themen anvertrauen und es daran teilhaben lassen, wie Sie diese Themen z.B. therapeutisch angehen und heilen und Ihnen als mögliches Vorbild dienen.

Wie kann ich meinem Kind helfen, mit den körperlichen Veränderungen der Pubertät umzugehen? Wie gehe ich mit dem Thema Sexualität um und wie kann ich meinem Kind sichere Informationen vermitteln?

Auch hier wäre es gut, sich zunächst damit auseinanderzusetzen, wie befangen/unbefangen Sie selbst dem Thema gegenüberstehen. Das Thema ist den Jugendlichen selbst schon unangenehm genug, da ist es wenig hilfreich, wenn sie da noch zusätzliche Bestätigung erfahren, dass darüber zu sprechen eigentlich nur sehr beschämend ist. Wen kennen Sie, mit dem erstmal Sie da entspannt sprechen und erleben können, dass das ein ganz berührendes und schönes Thema sein kann, sei es aus Ihrem Bekannten- oder Verwandtenkreis oder auch in einer Gesundheitsberatungsstelle oder Ähnlichem. Es gibt da auch sehr feinfühlige Bücher zu diesen Themen, die Sie sich empfehlen lassen könnten.
Und gehen Sie dann, wenn Sie sich selbst sicher genug damit fühlen, sehr behutsam und langsam vor, quasi wie bei einem ersten Date, bei dem viel gewonnen und viel verloren gehen könnte. Nehmen Sie sich viel Zeit und erzählen Sie vielleicht erstmal von sich, wie es Ihnen damals in dieser Zeit mit dem Thema ging, wenn Ihr Kind bereit ist, sich das erzählen zu lassen. Respektieren Sie aber auf jeden Fall, wenn Ihr Kind sich da erstmal abgrenzen mag und die Thematisierung vielleicht immer wieder herauszögert. Und bleiben Sie trotzdem am Ball, es immer mal wieder anzubieten, und sei es, dass das Thema auch mal indirekt zur Sprache kommt, über Filme, Bücher, Musikvideos oder Ähnlichem.

Pubertät und Schule: Wie unterstütze ich mein Kind bei der Bewältigung von Schulstress und Leistungsdruck?

Hier hat sich bewährt den kommenden Jugendlichen entsprechend ihrer aktuellen körperlichen und geistigen Entwicklung mehr und mehr Mitgestaltungsraum und Eigenverantwortung einzuräumen und ihnen probeweise für eine (festzulegende) Zeit, wenn sie sich darauf einlassen wollen, die Entscheidungshoheit über das Wie des Lernens anzuvertrauen, solange sie die mit den Eltern besprochenen anzustrebenden Noten zu garantieren bereit sind. Als Konsequenz bei Nichterreichung der Noten sollte die Entscheidungshoheit für einen weiteren festzulegenden Zeitraum (bspw. ein weiteres Jahr) an die Eltern zurückgehen. Die Kinder wissen in der Regel ganz gut einzuschätzen, ob sie sich eher Unterstützung oder Vertrauen wünschen. Meist wird es zunehmend Letzteres sein und es ist auch ihre Entwicklungsherausforderung in dem Alter mehr und mehr in die Selbständigkeit zu kommen und eine Verlässlichkeit den Eltern gegenüber zu zeigen. Und doch dürfen sich die Kinder auch weiterhin für die Variante entscheiden, die Hauptverantwortung wie die Schulleistungen erbracht werden sollen, zunächst bei den Eltern zu belassen und deren Führung weiterhin anzuerkennen und anzunehmen.

Wie gehe ich mit dem Medienkonsum meines Kindes um? Wie viel Freiraum ist angemessen und wo muss ich es begrenzen?

Kinder erobern sich die Welt spielend, d.h. sie ahmen das Leben der Erwachsenen und ihrer Herausforderungen nach, quasi wie werdende Piloten das Fliegen am Flugsimulator lernen. Ob sie das klassisch mit Rollenspielen, mit Playmobil und Lego, hochwertigem Holzspielzeug oder am Handy tun, ist erst einmal nachrangig zu betrachten, auch wenn Sie als Eltern da gewiss Ihre Präferenzen haben. Ihre Aufgabe als Eltern ist es, für einen sicheren Rahmen zu sorgen, dass z.B. nicht mit echten, sondern mit Holzschwertern gekämpft wird und auch keine Legoteile verschluckt werden. Genauso verhält es sich beim Medienkonsum, der weder gut noch schlecht ist, sondern eine gesunde Balance braucht. Diese kann individuell sehr unterschiedlich sein und Sie finden sie nur gemeinsam mit Ihren Kindern heraus, indem Sie sich dafür interessieren, was Ihr Kind da im Netz, an der Konsole oder so macht und warum es das tut. Lassen Sie sich in deren Welt entführen und von ihrer Faszination anstecken, und trauen Sie sich auch, kritische Fragen zu stellen und auf Aspekte hinzuweisen, die Ihre Kinder vielleicht nicht ausreichend mitberücksichtigen. Finden Sie gemeinsame Lösungen, in denen sich beide Seiten wiederfinden und sich keiner als Verlierer fühlen muss. Und wenn die Verhandlungen mal stocken, vertagen Sie sie. Da haben Sie als Eltern einen deutlich längeren Atem, als Ihre Kinder. Je mehr sich die Verhandlungen ziehen, desto eher realisieren Ihre Kinder die Vorteile, die sie durch die neuen Regelungen durchaus haben würden, und lenken ein.

Wie finde ich die richtige Balance zwischen Loslassen und Festhalten, wenn mein Kind zunehmend unabhängig werden möchte?

Letztlich, wenn Sie mal zurückschauen, sind Sie schon lange innerhalb dieses Prozesses des Loslassens, seit Ihr Kind anfing, mobiler zu werden. Sie haben schon, wenn Sie an einen See oder ans Meer fuhren, Ihr Kind zum Wasser krabbeln oder stiefeln lassen und es erst dann wieder eingefangen, bevor es bedenklich wurde. Es gab da eine unsichtbare Leine zwischen Ihnen, die Sie Ihrem Kind ließen und die Sie erst einzogen, wenn es den Bogen zu überspannen drohte. Diese Herausforderung hat sich nicht von Grund auf verändert, nur das Spielfeld ist ein größeres geworden und der Überblick fällt nun deutlich schwerer. Freiheit in Grenzen ist hier das Stichwort. Sie dürfen die Grenzen ziehen und bei der Weiterentwicklung Ihres Sprösslings entsprechend regelmäßig anpassen. Wenn Sie das Vertrauen in Ihr Kind noch nicht ausreichend gefestigt sehen und Zweifel daran haben, dass es die möglichen Konsequenzen versteht und damit umgehen kann, ist es ratsam, es vor Überforderung zu schützen. Nehmen Sie eine „Ja, und gleichzeitig…“ Haltung ein. Das heißt, Sie setzen vorübergehend die Wünsche Ihres Kindes aus, bis sein Verhalten zuverlässig wird und einen Vorschuss an Vertrauen rechtfertigt.

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